über mich
Warum sind wir, was wir sind? Und was machen wir daraus?
In meinem Geburtsjahr 1967 erwarb mein Vater die von Dieter Rams 1964 gestaltete audio 2 Hi-Fi Radio-Phono Kombination der Firma BRAUN. Diese unglaublich gut proportionierte Anlage, mit ihrem grünen Ein-/Ausschaltknopf und der markanten Acrylglasabdeckung begleitete mich, stets bewundert, durch meine Kindheit und Jugend. Heute steht sie - zwischenzeitlich zum musealen Designklassiker befördert – mahnend im Regal und beeindruckt noch immer.
Es gab in meinem Elternhaus in Höhr-Grenzhausen neben der audio 2 viele interessante Objekte. Keramische Arbeiten befreundeter Künstler, ausgesuchte Möbelstücke, viele Jazz- und Klassikplatten, Musikinstrumente und kuriose Mitbringsel von Auslandsreisen. Dieses Miteinander unterschiedlichster Dinge aus unterschiedlichsten Zeiten und Kulturen hat mein Leben geprägt und meine Neugierde geweckt.
Mit 5 Jahren, von meinem deutlich älteren Bruder inspiriert, begann ich, Briefmarken zu sammeln. Einige Jahre später folgten Biene Maja Klebebildchen und allerlei Unnötiges.
Es hat aber nicht sehr lange gedauert, um zu der Erkenntnis zu gelangen, dass dem kurzen Glück beim Einkleben des letzten fehlenden Bildes ins Album eine große Leere folgt.
Mit 16 Jahren erwarb ich mit gesparten 150 DM in Koblenz einen „Schneewittchensarg“ der Firma BRAUN (Entwurf: Dieter Rams & Hans Gugelot, 1956) und weiß rückblickend, dass dieses Ereignis der Beginn meiner Sammlung war.
Die Tatsache, dass die BRAUN-Anlage meines Vaters einen gestalterischen Vorgänger hatte, war für mich ebenso faszinierend wie prägend. Denn die Erkenntnis darüber, dass sich das Neue grundsätzlich aus dem Vergangenen generiert und jeder Gegenstand einmal zeitgenössisch war, hat den Grundstein für mein individuelles Sehen, Erkennen und Denken gelegt.
Mit 17 Jahren kam ich zum ersten mal nach Wien (mein Bruder studierte dort Malerei an der Hochschule für Angewandte Kunst) und plötzlich ging alles ganz schnell. Der erste Thonet Stuhl aus gebogenem Holz aus einem Container in der Nähe vom Stephansdom. Das erste Buch über Thonet und die Erkenntnis, dass er aus Boppard stammt. Und dass es ganz viele Modelle gab. Aber wo? Und dann der erste Stahlrohrsessel von Marcel Breuer. Auch aus dem Container. Aber warum war dieser Stuhl nicht in meinem Thonet Buch? Und wer war eigentlich dieser Breuer? Und was war das für eine Geschichte mit der Wiener Werkstätte und Josef Hoffmann und Otto Wagner und der Seccession? Und dann immer wieder bauhaus. Mal Weimar, mal Dessau, mal Gropius, mal Mies van der Rohe.
Das war das genaue Gegenteil von Biene Maja Sammelbildchen. Das Album für diese Entdeckungen und Erkenntnisse musste ich mir im übertragenen Sinne selber machen.
Ich brauchte eine systematische Ordnungsstruktur, denn durch immer mehr Bücher, entstand immer mehr Wissen und es gab immer mehr Fragen. Und um wenigstens einige der Fragen beantworten zu können, brauchte es originale Exponate. Denn nur daran kann man Inhalt und Genese verlässlich überprüfen. Mein Vater fasste es mit dem Begriff circus diabolis zusammen. Für mich bis heute der schönste Teufelskreis der Welt!
Glücklicherweise gab es in meinem Leben zu jeder Zeit Menschen, die meine Leidenschaft unterstützt oder gefördert haben. Die mir geholfen haben Sehen zu lernen, mir wichtige Hinweise auf Autorenschaft, Literatur, Gestalter, Museen und Sammlungen gaben. Mich mitgenommen haben. Mir den Kopf gewaschen haben. Denn die entscheidende Frage bleibt, was den Wert eines einzelnen Objekts ausmacht. Die Frage wann etwas Einzelgegenstand ist, wann es Teil einer Ansammlung ist, wann diese Ansammlung schließlich durch qualitative Kriterien zur Sammlung wird, wann die Sammlung schließlich wieder zur Ansammlung umkippt.
Dieser Problematik müssen sich öffentliche- wie private Institutionen gleichermaßen stellen. Denn nicht die Anzahl der Gegenstände entscheidet über die Qualität einer Sammlung, sondern die kulturelle Dimension jedes einzelnen Gegenstandes, der im Kontext bzw. Mehrklang mit anderen Objekten (seine) Geschichte offenbart.
Jede Sammlung ist eine Zeitkapsel mit Mehrfachverschluss. Jede Neuöffnung birgt die Chance auf die Beantwortung einer Frage.
Inzwischen begreife ich meine Sammlung als Archiv. Dieses umfasst einen Zeitraum von ca. 2000 Jahren. Schwerpunkte bilden europäische Sitzmöbel der Zeit von 1735-1840, Objekte aus dem Beginn der Industrialisierung bis zu den Vordenkern des Funktionalismus. Der italienische Rationalismus, das bauhaus (Weimar & Dessau) deutsches und italienisches Nachkriegsdesign. Neben Möbeln ist im Laufe der Zeit eine umfangreiche Leuchtensammlung entstanden, welche die Entstehung und Entwicklung des künstlichen Lichts dokumentiert.
Meine Bestimmung ist es, durch das Bereithalten und die Zugänglichkeit vorhandener Gegenstände und deren Analyse eine kulturelle Haltung zu definieren und einen ganz persönlichen Beitrag für unsere Gesellschaft zu leisten.
Das dies nun immer häufiger im öffentlichen Raum geschieht, empfinde ich als Glücksfall.